#06 Glaube hat eine Weggestalt

Eigentlich müsste es offensichtlich sein: Der christliche Glaube hat eine Weggestalt. Alles Wesentliche ereignet sich auf dem Weg. Die großen Leitbilder sind: Abraham, Auszug aus Ägypten, Gott im Exil. Jesus lehrt im Umhergehen. Viele seiner Begegnungen geschehen unterwegs. Berühmt ist die Geschichte von den Emmaus-Jüngern. Der Begriff für einen Weg-Glauben ist „Nachfolge“. Woran liegt es, dass Kirche (fast) immer den Drang hat, sesshaft zu werden? Woran liegt es, dass die Entwicklung in Richtung „Fluide Kirche“ als bedrohlich empfunden wird?

#05 Die Aufgabenstellung präzisieren

Auch wenn die Entwicklung in Richtung „Fluide Kirche“ sinnvoll und wichtig ist, beinhaltet sie nicht automatisch eine Verbesserung. Anhand von Hannah Arendt und ihrer Dreiteilung der menschlichen Tätigkeiten in (1) arbeiten, (2) herstellen und (3) handeln wird versucht, fluide Dynamiken einzuordnen. Ergänzend dazu helfen die zwei grundlegenden Arten von Weltbeziehungen nach Martin Buber: Ich-Es und Ich-Du. Fluide Kirche in ihrer besten Form verfolgt den Traum von Kirche als „Haus in der Zeit“, als öffentlichen „Raum der Freiheit“, in dem wahrhaftige Ich-Du-Begegnungen ermöglicht werden.

#04 Gemeinschaft und Vergesellschaftung

Vor über 100 Jahren prägte Ferdinand Tönnies das Gegensatzpaar „Gemeinschaft und Gesellschaft“. Aus seiner Sicht driftet der soziale Wandel der Moderne weg von einer „Gemeinschaft der Geborgenheit“ hin zu einer „Gesellschaft der Kälte“. Diese negative Wahrnehmung zieht sich auch durch christliche Milieus, sofern dort zyklisch der Verlust von Gemeinschaft beklagt wird. Wie wird auf die wachsende Sehnsucht nach Vergemeinschaftung reagiert? (1) Als rückwärtsgewandte Utopie. (2) Als situative Event-Vergemeinschaftung. Beides aber bleibt weit hinter der neutestamentlichen Vision zurück.

#03 Multioption und der Zwang zur Häresie

Vor fast 20 Jahren schrieb der Soziologe Peter Gross „Die Multioptionsgesellschaft“. Darin beschrieb er die Steigerungslogik des „Immer mehr“ in der Moderne. 15 Jahre zuvor sprach Peter L. Berger vom „Zwang zur Häresie“. Gemeint war, dass in heutiger Zeit die Abweichung zur Normalität geworden ist. Nichts ist mehr einfach wie ein Schicksal vorgegeben, alles muss gewählt werden. Das betrifft natürlich auch das religiöse Feld. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern welche Art von Christ man sein möchte.

#02 Flüchtige Moderne und Liquid Church

Zur Jahrtausendwende veröffentlichte der Philosoph Zygmunt Bauman das Buch mit dem deutschen Titel „Flüchtige Moderne“. Kurze Zeit später nahm der englische Theologe Peter Ward seine Thesen auf und verlängerte sie in Richtung „Liquid Church“.  Weitere 10 Jahre später ist diese Diskussion auch in der katholischen Kirche in Deutschland angekommen. Sehr interessant, dass sich selbst diese Art von „stabiler Kirche“ mit der Thematik auseinander setzt. Offenbar befinden wir uns gemeinsam in einer Suchbewegung, mit der Flüchtigkeit von „religiösen Konsumenten“ angemessen umgehen zu lernen.

#01 Einführung

Wir befinden uns inmitten eines breiten gesellschaftlichen Umbruchs: Klassische Formen von verbindlicher Zugehörigkeit nehmen ab, festgefügte Leitungsstrukturen werden immer misstrauischer beäugt und der Wunsch, sich möglichst lange alles offen zu halten, wird sehr groß geschrieben.
All diese Tendenzen zeigen sich auch in christlichen Gemeinschaften. Häufig wird dieser gesellschaftliche Trend eher negativ als Überindividualisierung, Selbstbezogenheit und Unverbindlichkeit gedeutet. Möglicherweise führt uns die „Verflüssigung von Kirche“ aber auch wieder stärker an das Neue Testament heran. Es ist wichtig, diese Entwicklung aufmerksam wahrzunehmen und konstruktiv darauf zu reagieren.